Schlagwortarchiv für: Nachhaltigkeit

News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Sozial-ökologische Produkte verkaufen sich von selbst, oder?

In meinen Blockseminaren über Social Entrepreneurship sind Studenten immer wieder überrumpelt, dass sie einen Schnelldurchlauf durch alle BWL-Basics bekommen – und dann auch noch oben drauf das sozial-ökologische Niveau ihrer Ideen oder bestehender Produkte hinterfragen sollen. Die Realität ist eben so: Produkte konkurrieren auf einem einzigen Markt um die gleichen Kunden, egal wie sehr man künstlich segmentiert. Daher gelten für Sozialunternehmer die gleichen Regeln wie für alle anderen auch: sie müssen kostengünstig produzieren und mit auskömmlicher Marge absetzen.Insbesondere bei der Frage, wie das konkret in der Kundenansprache funktioniert, müssen die meisten doch erstmal gründlich umdenken. Nein, Kunden kaufen eher selten ein preislich teureres Produkt, nur weil es höhere soziale Standards erfüllt oder weniger umweltschädlich ist (die Frage, wer von ihnen selbst nur bio und fairtrade einkauft, oder wenigstens sein Girokonto bei einer Umweltbank hat, relativiert diese Haltung dann schnell). Schon gar nicht, wenn die Qualität die gleiche ist, das Produkt oder die Dienstleistung sich also an sich nicht von anderen unterscheidet. Und Kunden wollen im Idealfall auch genauso bequem auf das Produkt zurückgreifen können, sprich: im Laden um die Ecke. Als einiges Differenzierungsmerkmal bei den klassischen „4Ps“ bleibt da also die Kommunikation.Um es ganz konkret zu machen: ein Unternehmen, dass ehemalige Straffällige anstellt um Reinigungsleistungen zu erbringen, muss genauso günstig sein (obwohl es vermutlich zusätzliche Betreuer beschäftigt, die die Mitarbeiter beim Übergang in ein geregeltes „normales“ Leben unterstützen), es muss die gleiche Qualität erbringen (weniger sauber geht gar nicht) und genauso bequem verfügbar sein (also am besten in den frühen Morgenstunden oder spät abends reinigen, wenn es keinen bei der Arbeit stört). Ob nun in der Kommunikation auch noch explizit darauf abgestellt wird, dass „ex-Knackis“ die Arbeit erledigen, oder ob dies bei manchen Kunden eher Ängste und Befürchtungen auslöst, muss der Chef entscheiden.Das Beispiel zeigt sehr plastisch, warum Firmen, die gesellschaftliche oder ökologische Probleme lösen, dabei aber keine zusätzlichen Mehrwerte für den Kunden generieren, sich am Markt sehr schwer tun. Deswegen legen wir in unserer Arbeit so einen großen Schwerpunkt darauf. Von romantischen Vorstellungen müssen sich Unternehmer meist verabschieden, solange ihnen niemand die gesellschaftlich erzeugten Gewinne vergütet. Bild: Creative Commons Zero (CC0) license (pexels)

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Marktwirtschaft im Ökosystem – seit 400 Millionen Jahren

Ich bin immer wieder fasziniert, was man noch Neues lernen kann. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass auch in Ökosystemen die Marktwirtschaft vorherrscht, und zwar schon seit über 400 Millionen Jahren – wer hätte das gedacht?Ganz konkret: Die meisten Pflanzen leben in Symbiose mit speziellen Pilzen, sogenannten Mykorrhiza. Die Aufgabe der Pilze ist es, Phosphor aus der Erde für die Pflanzen aufzubereiten, die es dann über ihre Wurzeln aufnehmen. Im Gegenzug erhalten die Pilze Kohlenhydrate aus der Photosynthese der Pflanze als „Bezahlung“. Mehr Phosphate bedeuten für die Pflanze ein stärkeres Wachstum, für das sie durchaus bereit ist, Produkte aus ihrem Stoffwechsel („Arbeit“) zu ‚investieren‘.Wenn nun unterschiedliche Arten von Pilzen an den Wurzeln einer Pflanze angesiedelt sind, kommt es vor, dass unterschiedlich viel Phosphat je Einheit Kohlenhydrate ‚geliefert‘ wird – der Preis je Einheit ist sozusagen unterschiedlich hoch. Pflanzen merken dies und liefern dann weniger Kohlenhydrate dorthin, von wo sie weniger Phosphat erhalten. Damit zwingen sie den ‚faulen‘ Pilz, sich dem Leistungsniveau der anderen Mykorrhiza-Art anzupassen.Pflanzen tun dies – im Gegensatz zu Tieren – ohne ein zentrales Nervensystem, in dem Daten analysiert und ausgewertet werden. Auch Pilze (weder Tier noch Pflanze) haben kein ‚Gehirn‘ und passen dennoch ihr Verhalten an das Angebot der Pflanze an. Beide integrieren ‚intuitiv‘ auf Basis ihrer Physiologie die vorhandenen Informationen in ihr Verhalten und reagieren entsprechend. Im Ergebnis steht ein marktwirtschaftlicher Prozess von Preis und Leistung, Angebot und Nachfrage.Wissenschaftler möchten diese Erkenntnis nutzen, um weitere makroökonomische Grundannahmen zu testen. Denn: im Gegensatz zu Menschen und anderen Tieren, verhalten sich Pflanzen nicht emotional oder subjektiv, ihr Verhalten wird physiologisch gesteuert – d.h. sie gehen rational vor (dass der homo oeconomicus eine Mär ist, haben die Marketingabteilungen weltweit ja längst bewiesen).Ein schöner Nebeneffekt dieser Forschung: die Erkenntnis, dass eine hohe Biodiversität an Mykorrhiza erhalten bleiben muss, um dauerhaft hohe Erträge in der Landwirtschaft erzielen zu können, denn nur durch Konkurrenz an der Wurzel entsteht der beobachtete Effekt. Die Forschung hat Syngenta finanziert, die Botschaft geht also an die richtige Adresse. Wofür „Plant Decision Making“ so alles gut ist!Bild: (c) http://taxrebate.org.uk/

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Der Hype um AgTech: eine Chance für business sense und Nachhaltigkeit

DAS neue Schlagwort der internationalen Investorenszene lautet AgTech, also die Kombination aus Agriculture (Landwirtschaft) und Technologie. Nach IT fließen die großen Gelder nun in gedruckte Steaks oder vegane Eier. Dabei haben leider noch nicht alle dieser Investoren wirklich eine Heirat beider Bereiche auch in ihren Köpfen vorgenommen, manch einer glaubt, wie in der IT skalieren zu können. Agrar-Investitionen bedeuten per Definition, dass eine Produktion, also Anlagen, Maschinen, „etwas zum Anfassen“ da ist. Der Tech-Teil bezieht sich auf Innovation, die in der Steuerung, der Automatisierung, aber auch neuen Schnittstellen oder neuen Verfahren liegen kann. Anders als in der IT-Branche ist eine Skalierung hier automatisch mit einem hohen Kapitalaufwand verbunden, weil nicht nur ein Softwarecode oder ein Vertragsmodell per Mausklick multipliziert wird. Dafür entsteht etwas, das die Grundlage für unser aller Überleben ist: Nahrungsmittel. Im Gegensatz zu Programmcode und Konzepten kann man die bei Bedarf essen, soll heißen: Investoren geht es hier um Lebensgrundlagen. Die steigende Nachfrage von 8 Mrd. Kunden ist sozusagen automatisch vorhanden; so manches Start-up soll seine Dividenden auch schonmal in Naturalien bezahlt haben. Trauriger Weise trennt die staatliche Förderkulisse beide Bereiche nach wie vor streng von einander: es gibt Hochtechnologiefonds, die Innovationen von IT bis Maschinenbau subventionieren – und es gibt die Rentenbank, die Land- und Fischwirten unter die Arme greift. Überschneidungen sind explizit ausgeschlossen – und werden vermutlich erst dann erlaubt sein, wenn der Trend längst Normalität geworden ist. Hoffentlich sind deutsche Investoren da schneller!Wie sieht es nun mit der Nachhaltigkeit in AgTech aus? Konzerne wie Monsanto setzen schon lange darauf, dass Drohnen den unbemannten Traktor lenken und Roboter die Erfolge von Zuchtversuchen durch Gentests bereits am Keimling testen – in diesem Sinne ist AgTech eine Fortsetzung der Konsolidierung in der Landwirtschaft hin zu größeren Betrieben, weniger Personal und mehr Leistung (aus ausgelaugten Böden), kombiniert mit „BigData“ und allem, was Datenschützer an Bedenken haben können.Aber wenn Investoren mit im Spiel sind, geht es auch um Innovationen aus Start-Ups – und damit bietet AgTech auch eine Chance für wirklich radikal neu und anders gedachte Lösungsansätze. So galt nachhaltige Landwirtschaft lange Zeit als teuer, weil das Produzieren in komplexen, biodiversen Ökosystemen mehr Zeit und Wissen erfordert. Hier können künftig lernende Systeme den Menschen ergänzen und dafür sorgen, dass Bio mit konventionellen Monokulturen konkurrieren kann. Oder die Robotik und Automatisierung wird endlich so einfach und low-tech (wie möglich), dass auch kleine Flächen sinnvoll bewirtschaftet werden können – ob in Städten oder auf kleinteiligen Höfen mit unterschiedlichen Klimazonen. Ich freue mich auf die vielen Impulse, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen – und auf Verbraucher, die klare Signale setzen, welche Entwicklung sie unterstützen möchten.

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Bürgerstiftung: wie alle partizipieren

Wenn wir in unseren Regionalentwicklungsprojekten wirtschaftliche Impulse schaffen, folgt häufig auch die Frage nach der (Um-)verteilung. Im gängigen marktwirtschaftlichen Modell profitieren diejenigen, die sich mit Geld oder Leistung („Kapital“) eingebracht haben. Doch um erfolgreiche Projekte zu ermöglichen, leisten sehr viel mehr Stakeholder einen Beitrag, der auch gewürdigt werden sollte. Sicher, es entstehen ein paar Arbeitsplätze – in kleinen Ortschaften ein nicht zu unterschätzender Wert. Klar, nach Möglichkeit wurden Handwerker und Dienstleister in der Bauphase aus der Region beauftragt. Aber wie sichert man Teilhabe darüber hinaus? Die Politiker, die Türen geöffnet haben („das ist doch deren Aufgabe“), die Vereine, die Infoabende veranstaltet oder Newsletter versendet haben – und die Bürger, die im Zweifel informiert wurden, aber nicht wirklich entscheiden durften, ob sie eine Produktion mit ggf. mehr Verkehr, mehr Lärm oder mehr versiegelter Fläche vor der Haustür haben wollten – und so nett waren, es nicht zu behindern.Bürgerstiftungen sind keine neue Erfindung, aber doch ein Bereich, der durchaus mehr Bekanntheit genießen dürfte. Wir schätzen vor allem Modelle, die alle wesentlichen Beteiligten an einen Tisch bringen: Bürger natürlich, aber auch Gemeinde und Wirtschaft. Die Stiftung kann dann Anteile an dem neuen Unternehmen halten oder vertraglich garantiert x% der Gewinne (oder sogar Umsätze!) als regelmäßige Spendenzuwendung bekommen. In die Entscheidung über die Verwendung dieser Gelder kann wiederum jeder mit eingebunden werden, der sich entsprechend engagiert. Von den gemeinnützigen Vorhaben profitieren dann direkt oder indirekt letztlich alle vor Ort. Und: das bleibt auch so, selbst wenn später Verwaltungsstrukturen aufgelöst oder fusioniert werden, oder die Firma übernommen wird und ihren Sitz verlegt: das Stiftungsgeld kann vor Ort wirken.Definitiv ein Konstrukt, das wir vielen Kunden ans Herz legen. Bild: (c) Bernhard O. Schoch unter GNU Lizenz

Durch Genuss zur Weltrettung – vom „Foodprint“ unseres täglichen Einkaufs

Ein Film hat mich über die Feiertage sehr bewegt: Cowspiracy schildert die Erfahrungen eines Amerikaners, der versucht den Umwelteinfluss der Viehwirtschaft zu verstehen und dabei insbesondere bei den Experten der NGOs auf vermeintliche Ahnungslosigkeit trifft. Ihn bewegt vor allem folgende Frage: wenn wir alle nur noch einmal die Woche Fleisch essen würden, wären staatliche Vereinbarungen zur Senkung der CO2- und Methanemissionen kaum noch notwendig – die Klimaschutzziele für 2050 im Grunde schon heute erfüllt. Dennoch macht keine große Umweltschutzorganisation den Fleischkonsum zu ihrem Hauptthema, einerseits weil es beim Verbraucher unbeliebt ist (wir forsten lieber wieder ein paar Bäume auf, als uns Änderungen in unserem Verhalten vorschreiben zu lassen; die Grünen hat nur die Andeutung eines wöchentlichen Veggie-Day 2013 die Bundestagswahl gekostet!), andererseits, weil die Lobby der Fleischwirtschaft scheinbar nahezu mafiöse Züge hat und Gegner regelmäßig kalt stellt. Folglich werden wissenschaftliche Fakten entweder durch die Pressesprecher geleugnet, oder aber die Frage zur eigenen Position dazu schlicht nicht beantwortet. Erschütternd stellt man sich beim Sehen die Frage, wie unsere Zivilgesellschaft derart bei ihrer ureigensten Aufgabe versagen kann. Nun sind wir in unserem Team bei aller Leidenschaft für Nachhaltigkeit keine Hardliner: unsere Mitarbeiter müssen weder Vegetarier noch Veganer sein, nicht zwingend mit Fahrrad oder ÖPNV ins Büro fahren, noch auf Flüge in den Urlaub verzichten, etc. Jeder entscheidet selbst, wieviel Nachhaltigkeit er in seinem Alltag lebt und welche Klimasünden man sich im Zweifel bewusst gönnt. Wenn wir den Wandel wirklich wollen, muss er von Lebensfreude geprägt sein, nicht von Askese und schlechtem Gewissen. Umso schöner, dass das Team von TopFarmers neulich berechnet hat, dass der Wels aus ihren Anlagen so nachhaltig ist, dass man ihn guten Gewissens essen kann. Selbst wenn alle Deutschen theoretisch ihren gesamten Fleischkonsum durch Afrikanischen Wels aus TopFarmers Produktion ersetzen würden (aber weiterhin Milch und Eier im bisherigen Maß verzehren), würde der landwirtschaftliche Flächenverbrauch pro Kopf von heute ca. 2.500 (für jeden Deutschen…) auf 1.300 m² sinken – und damit auf ein planetenverträgliches und faires Maß (so viel steht bei 9 Mrd. Menschen für jeden maximal zur Verfügung). Natürlich ist das eine rein theoretische Berechnung. Aber es bestätigt eine unsere Kernüberzeugungen bei Blue Economy: Verbraucher sind dann Treiber des Wandels, wenn die besseren Produkte erstmal überhaupt verfügbar sind, und dann auch noch von besserer Qualität (hier: frischer und natürlich viiiel leckerer) – nicht wenn wir sie davon überzeugen wollen, nichts oder weniger zu verbrauchen. „Wer sein Essen klimaneutral auf dem Fahrrad oder zu Fuß nach Hause trägt und die Herkunft seiner Lebensmittel kennt, kann auch Fisch und Fleisch wieder mit gutem Gewissen genießen“ schreibt Klaus Walther diesen Monat in der Forum Nachhaltig Wirtschaften. So sei es! Bild: (c) http://cowspiracy-info.de/