Life Cycle Analysis in der Nachhaltigkeits- Innovationsberatung - Wald

Waldsterben 2.0 !? Als die Bäume den Wald verließen.

Dieser Artikel geht auf den momentanen Stand der Technologie mit Bezug auf die Holz & Waldwirtschaft ein. Es handelt sich dabei um eine der vielen Innovationen, die die Cascading Economy bestimmen und Teil einer breiten Entwicklung für ein positives Gleichgewicht zwischen Mensch, Wirtschaft und Natur ausmachen.

Hintergrund zum Case Holz & Waldwirtschaft

„Unser Haus brennt“ warnte Greta Thunberg, die schwedische Klimaaktivistin und Initiatorin der „Fridays For Future“ Bewegung, vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos.1 Und in der Tat, kann man aktuell den Eindruck gewinnen, dass der Klimawandel für Mensch und Tier spürbar wird. Der Hitzesommer 2018 in großen Teilen Europas, der heißeste Juli, seit Beginn der Wetteraufzeichnung 2, sowie aktuell Brände in der Arktis, wo die Feuer sich in Sibirien und Alaska auf einer Fläche von 10.000 Fußballfeldern ausbreiten. 3 Im jüngst erschienen IPCC Sonderbericht ist ein besonderes Augenmerk auf die Landnutzung der Menschheit gelegt worden: Der weltweite Temperaturanstieg hat über den Landflächen bereits 1,53 Grad Celsius erreicht (Global 0,87 °C). Landwirtschaft, Forstwirtschaft und andere Landnutzung (Agriculture, Forestry and other Land Use, AFOLU) waren im Zeitraum 2007–2016 für rund 13% der CO2 ‐, 44% der Methan‐ (CH4) und 82% der Lachgasemissionen (N2O) aus menschlichen Aktivitäten weltweit verantwortlich, was 23% (12,0±3,0Gt CO2 Äq. pro Jahr) der gesamten anthropogenen Netto‐Treibhausgasemissionen ausmacht.4 Das im Pariser Klimaabkommen 2015 festgelegte Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen5, scheint nur noch schwer haltbar, werden seitens der Industrienationen nicht zeitnah wirksame Schritte eingeleitet um die Treibhausgasemissionen stark zu senken.

Von der anhaltenden Dürre und den extremen Hitzewellen sind besonders die Agrar- und Forstwirtschaften betroffen. Den Wäldern in Deutschland geht es schlecht, gleichzeitig sind Wälder und Moore eine der wirksamsten Waffen gegen die globale Erwärmung. Die ETH Zürich kam zu dem Schluss, dass eine weltweite Aufforstung von Wäldern auf einer Fläche von 0,9 Milliarden Hektar möglich wäre und dadurch zwei Drittel der vom Menschen verursachten CO2 – Emissionen aufgenommen werden könnten. Dies wäre die effektivste Maßnahme gegen den Klimawandel.6 Äthopien plant, als ob es nur auf die Züricher Studie gewartet hätte, bis Ende Oktober 2019 bis zu 4 Milliarden Bäume zu pflanzen.7 Auch in Europa und Deutschland werden Stimmen lauter, welche für eine Aufforstung plädieren.8

In den deutschen Wäldern stehen etwa 90 Milliarden Bäume. Jahr für Jahr wächst mehr nach als eingeschlagen wird. Noch nie seit Beginn der nachhaltigen Forstwirtschaft vor 300 Jahren war der Holzvorrat so groß wie heute. Etwa 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff sind derzeit im Wald gebunden. Die häufigen Wetterextreme setzen den Beständen jedoch stark zu. Auf Orkan „Friederike“ Anfang des vergangenen Jahres folgte der Dürresommer, von dem sich die Wälder noch nicht erholt haben. Nun ist es wieder trocken und heiß. Das schwächt die Bäume und macht sie anfällig für Krankheiten und Schädlinge wie den Borkenkäfer, der sich geradezu explosionsartig vermehrt. Großflächig sterben Fichten und Kiefern, auch Buchen und Eichen sind betroffen. Schon 2018 fielen 32 Millionen Festmeter Schadholz an. In diesem Jahr kommen mindestens noch einmal 35 Millionen hinzu. Totholz und umgestürzte Bäume müssen so schnell wie möglich aus dem Wald geholt werden, damit sich die Borkenkäfer nicht weiter ausbreiten können. Das trockene Holz erhöht zudem die Waldbrandgefahr.

Allein die Kosten für diese Aufräumarbeiten werden auf zwei Milliarden Euro beziffert. Weil so viel Schadholz auf dem Markt ist, sind die Preise dramatisch gesunken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden vor allem Fichten in Monokulturen angepflanzt. Sie wachsen schnell und Holz wurde in großer Menge dringend gebraucht. Fichten gedeihen am besten in feucht-kühlem Klima. Sie bilden nur flache Wurzeln aus, weshalb sie bei Dürren schnell vertrocknen und oft Stürmen nicht standhalten. Mischwälder mit verschiedenen Laub- und Nadelbaumarten sind viel stabiler. In Zukunft müssen widerstandsfähige Baumarten gepflanzt werden, die auf Dauer mit weniger Wasser und höheren Temperaturen zurechtkommen – wie Roteiche, Japanlärche, nordische Küstentanne oder Esskastanie zum Beispiel, die in Deutschland eigentlich nicht vorkommen. Der größte Umsatz kommt in der Regel aus der Fichte.9 Die Fichte macht laut der dritten Bundeswaldinventur von 2012 26% der Waldbestände aus (Nadelhölzer 55%) und ist eines der entscheidensten Hölzer für die Forstwirtschaft. 10

Klimatisch bevorzugt die Fichte eher kühlere Klimazonen. Aus einer Studie von Schweizer Wissenschaftlern des Forschungsprogramms „Wald und Klimawandel“ vom Bundesamt für Umwelt BAFU geht hervor das sie sich die Fichte genetisch sehr lokal angepasst hat und sich bei der Geschwindigkeit des Klimawandels nur äußerst schwer anpassen wird. 11

Innovation zur nachhaltigen Holz & Waldwirtschaft

Bereits in den 1980er Jahren gab es eine große Debatte über das Waldsterben, welches der Umweltbewegung in Deutschland großen Auftrieb verschaffte. Forscher stellten lichter werdende Baumkronen und vergilbte Nadeln fest. Ursache war damals die hohe Luftverschmutzung, verursacht durch Schwefeldioxid (SO2). In Verbindung mit Wasser reagiert SO2 zu schwefliger Säure und übersäuert somit die Böden, welche weniger Nährstoffe an die Pflanzen abgeben können. Zusätzliche wurden giftige Aluminiumionen freigesetzt, welche das Grundwasser zusätzlich belastete. Die Politik reagierte, Kraftwerke mussten ihre Emissionen in die Umwelt stark zurückführen. 12

Heute ist die Problematik eine unlängst schwierigere Aufgabe. Wälder können sich nur bedingt den klimatischen Veränderungen der nächsten Jahre anpassen, dennoch wird von ihnen in Zukunft eine höhere Ökosystemdienstleistung abverlangt. Die Herausforderung wird in naher Zukunft darin bestehen, Schäden in den Wäldern, verursacht durch Extremwetter und längere Dürreperioden, abzufedern, gleichzeitig aber auf eine nachhaltige Forstwirtschaft umzustellen, welche den Rohstoff Holz in seiner breiten Anwendung nachhaltigen Wertschöpfungsketten zur Verfügung stellt.

Hier sind gerade in jüngster Zeit neue Innovationen auf dem Vormarsch, so zum Beispiel im Bereich der Agrar- und Forstwirtschaft, in dem Bereich von ökologisch abbaubaren Kunststoffen und zuletzt in der, von „Fast Fashion“ dominierten Textilindustrie. Diese Komponenten können sich in naher Zukunft als Bausteine, für eine Cascading Economy Wertschöpfungskette, welche Ökosystemdienstleistung und ökonomische Interessen zusammen denken, als vielversprechend erweisen:

Eine Form Agrar- und Forstwirtschaft neu zu denken ist die Agroforstwirtschaft. Die Agroforstwirtschaft ist eine Form der Landnutzung, bei der mehrjährige Holzpflanzen (Bäume, Sträucher, Palmen, Bambus, etc.) willentlich auf der selben Fläche angepflanzt werden, auf der auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen angebaut und / oder Tiere gehalten werden. Diese Elemente können entweder in räumlicher Anordnung oder in zeitlicher Abfolge kombiniert werden. In Agroforstsystemen gibt es normalerweise sowohl ökologische als auch ökonomische Interaktionen zwischen den verschiedenen Komponenten. 13 Agroforstwirtschaft mit ihren vielfältigen Erscheinungsformen (u.a. Alleeanbau, Stockwerkkultur, Waldweide) ermöglicht die Verdoppelung bis Vervierfachung der Flächenerträge gegenüber traditioneller shifting cultivation (Anbauflächenwechsel) und erlaubt den Schritt zu permanentem Landbau. Die agrare Tragfähigkeit erhöht sich mit Agroforstwirtschaft von ca. 20 Personen/km2 auf über 40. Das System ist relativ arbeitsintensiv und kapitalextensiv, die Rede ist hier also von einem Low-Input-System und demnach den Bedingungen der autochthonen Bevölkerung entsprechend. 14

Gerade in der Debatte um nachhaltige Landnutzung, wie jüngst im IPCC Sonderbericht vorgestellt, stellt sich auch die Frage der Ressource Wald. Durch die Verlagerung fossiler Brennstoffe auf nachwachsende Rohstoffe gewinnt das Ökosystem Wald gleich doppelt an Bedeutung.

Eine vielfältige Form der Holznutzung bietet hierbei das sogenannte flüssige Holz ARBOFORM. Das Forschungsprojekt, dass die Entwicklung dieses Stoffes ermöglichte, startete im Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie. 1998 wurde daraus schließlich die TECNARO GmbH gegründet, die das flüssige Holz an den Markt bringt. Die Firma hat kürzlich ein neues Produktionswerk in Ilsfeld bezogen und will dort unter anderem mit der Serienproduktion des Werkstoffs, bestehend aus Biokunststoffgranulaten, beginnen.

Schon jetzt konnten bereits erfolgreich Standard-Kunststoffe wie ABS, PE, PP, PS sowie technische Kunststoffe wie Polyamide (PA 6, PA6.6, PA12) substituiert werden und ermöglichen somit eine vielseitige Anwendung. 15

Ein weiteres Feld ist die Modebranche, welche nach der Erdöl Industrie den größten CO2 Fußabdruck hinterlässt.16 Schätzungen besagen, dass die Textilindustrie für 20% der weltweiten Abwässer, 10% der CO2 Emissionen sowie 24% aller verbrauchten Insektizide und 11% aller Pestizide verantwortlich ist.17 Doch auch Holz besitzt, Faserstrukturen, welche es ermöglichen daraus Garn für Mode zu entwickeln.

Das junge Unternehmen wijld aus Wuppertal verfolgt noch einen ganz anderen Ansatz und macht aus Holz einfach Mode, welche im Vergleich zu Baumwolle und Schafswolle deutlich ökologischer mit den Ressourcen umgeht. Nach eigenen Angaben des Herstellers werden durch die Holzfaser-Shirts 1.000 l Wasser, 150 ml Chemie in Form von Pestiziden und Düngemitteln und um die 600 g CO² allein durch den verkürzten Transportweg eingespart.

Potential in der Holz & Waldwirtschaft

Das Volumen der landwirtschaftlichen Abfälle wird auf 10 bis 14 km³ geschätzt.18 Das sind jährlich durchschnittlich 42,5 t neuer Biomasse pro Hektar. In vergleichbarer Dimension steht in naturbelassenen Wäldern dieser Produktion ein Abbau von Biomasse (Totholz, Laub etc.) gegenüber, so dass netto keine Zu- oder Abnahme erfolgt. Die jährlich allein in den Wäldern produzierte Biomasse enthält das 25fache der Energie des jährlich geförderten Erdöls. 19

Ein Baum, beispielsweise eine durchschnittliche 80-jährige Buche mit einer Höhe von 25 Meter, besitzt eine Trockenmasse von 12 Tonnen Holz. In ihr sind etwa 6 Tonnen Kohlenstoff gebunden. Die Energiemenge des Holzes dieser Buche entspricht etwa 6000 Liter Heizöl. Eine lebende Buche erzeugt zudem den Sauerstoffbedarf für 10 Menschen, eine Ökosystemdienstleistung, welche nie in Rechnung gestellt wird, jedoch für Mensch und Tier die essenziellste darstellt.

Holz ist nach wie vor eins der vielseitigsten Materialien und wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, sowohl als nachwachsender Rohstoff, als auch als CO2 – Senke.

Denken wir Forstwirtschaft nicht neu, wird sich der Zustand der Wälder weiter verschlechtern. Noch können wir mit klugen, innovativen Ideen dagegen steuern und die Wälder für uns nutzen.

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Fußnoten zur Cascading Economy Case Holzwirtschaft

1Deutschlandfunk (25.01.2019)

2Copernikus Klimawandeldienst

3ZDF (20.07.2019) Rekordtemperaturen – In der Arktis brennt es weiter

4IPCC (2019): Climate Change and Land

5BMU (2015):

6ETH Zürich (04.07.2019): Wie Bäume das Klima retten könnten

7Der Standard (06.08.2019): Weltrekord: Äthiopien will bis Oktober vier Milliarden Bäume pflanzen

8Agrarheute (26.04.2019): EU-Kommissar Hogan schlägt Initiativen zur Aufforstung vor

9Welt (06.08.2019): Kranker deutscher Wald. Eine Bestandsaufnahme

10Baumwaldinventur (2012)

11Sonnenseite (21.08.2017): Klimawandel: Fichte vom aussterben bedroht

12Focus (04.06.2012): War das Walsterben nur falscher Öko-Alarm?

13Agroforst

14Spektrum (2001): Lexikon der Geographie: Agroforstwirtschaft

15Tecnaro: The Biopolymer Company

16Ellen Mc Arthur Foundation (2017): A New Textiles Economy: Redesignings Fashion Futures

17Forbes (04.06.2018): Can Fashion Be Sustainable?

18Deutschlandfunk (08.11.2009):

19Craig Morris (2006): Zukunftsenergie–Die Wende zum nachhaltigen Energiesystem.

Quellenverzeichnis

Agrarheute (26.04.2019): EU-Kommissar Hogan schlägt Initiativen zur Aufforstung vor

https://www.agrarheute.com/politik/eu-kommissar-hogan-schlaegt-initiativen-aufforstung-553390

Agrarheute (01.08.2019): CDU/CSU-Minister fordern 800 Millionen Euro für den Wald

https://www.agrarheute.com/politik/cducsu-minister-fordern-800-millionen-euro-fuer-wald-556160

Baumwaldinventur (2012)

https://bwi.info/start.aspx

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutz/paris_abkommen_bf.pdf

Copernikus Klimawandeldienst

https://www.copernicus.eu/de/dienste/klimawandel

Craig Morris (2006): Zukunftsenergie–Die Wende zum nachhaltigen Energiesystem.

Heise Zeitschriften Verlag, Hannover 2006, S. 39 ff.

Der Standard (06.08.2019): Weltrekord: Äthiopien will bis Oktober vier Milliarden Bäume pflanzen

https://www.derstandard.at/story/2000107073491/weltrekord-wie-aethiopien-milliarden-baeume-pflanzt

Deutschlandfunk 25.01.2019

https://www.deutschlandfunk.de/weltwirtschaftsforum-davos-klimaaktivistin-greta-thunberg.769.de.html?dram:article_id=439368

Ellen Mc Arthur Foundation (2017): A New Textiles Economy: Redesignings Fashion Futures

https://www.ellenmacarthurfoundation.org/assets/downloads/publications/A-New-Textiles-Economy_

Full-Report_Updated_1-12-17.pdf

ETH Zürich (04.07.2019): Wie Bäume das Klima retten könnten

https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2019/07/wie-baeume-das-klima-retten-koennten.html

Focus (04.06.2012): War das Walsterben nur falscher Öko-Alarm?

https://www.focus.de/wissen/klima/klimaerwaermung/tid-25988/die-ausgebliebene-katastrophe-war-das-waldsterben-nur-falscher-oeko-alarm-_aid_760816.html

Forbes (04.06.2018): Can Fashion Be Sustainable?

https://www-forbes-com.cdn.ampproject.org/c/s/www.forbes.com/sites/georgkell/2018/06/04/can-fashion-be-sustainable/amp/

IPCC (2019): Climate Change and landSonnenseite (21.08.2017): Klimawandel: Fichte vom aussterben bedroht

http://www.sonnenseite.com/de/umwelt/klimawandel-fichte-vom-aussterben-bedroht.html

Spektrum (2001): Lexikon der Geographie: Agroforstwirtschaft

https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/agroforstwirtschaft/193

Tecnaro: The Biopolymer Company

https://www.tecnaro.de/start.html

Vogt (1999): Definition Agroforst

http://www.agroforst.de/2-definition.html

Welt (06.08.2019): Kranker deutscher Wald. Eine Bestandsaufnahme

https://www.welt.de/politik/deutschland/article197956237/Klimawandel-Kranker-deutscher-Wald-

Eine-Bestandsaufnahme.html

ZDF (20.07.2019) Rekordtemperaturen – In der Arktis brennt es weiter

https://www.zdf.de/nachrichten/heute/in-der-arktis-brennt-es-weiter-100.html