Wenn man den Wald wieder vor lauter Bäumen sieht – Lignin

Hintergrund: Wunder Reststoff Lignin

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, dreht es sich vermehrt um die Substitution von problematischen Stoffen. Viele einst gepriesene „Wunderstoffe“ kommen mehr und mehr in Verrucht, während eine Vielzahl von Sektoren stetig Ausschau nach neuartigen oder alternativen Materialien hält. Doch weit müssen wir gar nicht schauen! Deutschland hat einen hohen Anteil an einem interessanten „Abfallstoff“, der mit jährlich 50 Millionen Tonnen allein aus der Papierindustrie weltweit1 ein riesiges Nutzerpotential hat. Wir sprechen von Lignin!

„Lignin [von *lign-], Holzstoff, ist einer der Hauptinhaltsstoffe des Holzes und daher mengenmäßig einer der am häufigsten (neben Cellulose) vorkommenden Naturstoffe“ 2 (Spektrum 2021). Lignin gibt Pflanzen Form und Stabilität, die Verholzung von Pflanzen wird auch Lignifizierung genannt1. Der Grund, welcher Lignin so unglaublich interessant macht, ist folgender: seine Fülle an aromatischen Verbindungen. Lignin ist ein Phenylpropanoid und kann zur Herstellung von Polymeren benutzt werden. Der harzige Stoff aus der Natur ist der einzige, mit einer so hohen Anzahl an aromatischen Verbindungen. Diese werden sonst aus fossilen Ressourcen gewonnen und zur Produktion von Kunststoffen, Farben, Treibstoff und anderen Chemikalien genutzt. Diese begrenzten und umweltschädlichen Inhaltsstoffe zur ersetzen, ist auf vielen Ebenen wünschenswert. Vor allem, wenn wie bei Lignin der Anbau CO2 neutral ist und die Fertigung von langlebigen Produkten sogar als Carbon Sink angesehen werden kann.

Lignin wird vor allem bei der Papierherstellung gewonnen, wobei es jedoch derzeit hauptsächlich als Abfallprodukt angesehen wird. 98% werden verbrannt. Eine Verschwendung für solch ein interessanten nachwachsenden Rohstoff. Der Stoff kann aber auch direkt aus Holz gewonnen werden. Dabei wird Lignocellulose als erstes in Cellulose, Hemicellulosen und Lignin aufgeteilt. Das Verarbeiten von Lignin im Standard-Verfahren zeigt sich derzeit jedoch noch zu energie- (benötigt 500°C und 200bar3) und abfall-intensiv. Doch es wird vermehrt Forschung betrieben und neue, wirtschaftlichere Wege werden erschlossen.

Innovation: Ein Stoff viele Anwendungsmöglichkeiten

Das Innovationspotential von Lignin scheint stetig zu wachen und sich nicht ansatzweise auf einen Anwendungsbereich zu begrenzen. Hier stellen wir ihnen unterschiedliche Innovationen auf Basis von Lignin vor, die unser Interesse geweckt haben.

Durch den hohen Carbon- und Aromastoff-Anteil kann Lignin vielfältig genutzt werden. Es wurde bereits in verschiedene Formen von Kunststoffen gebracht und könnte bei wachsender Verbesserung der Wirtschaftlichkeit viele Plastikprodukte ersetzen. Von Büroartikeln, zu Elektrogerätgehäuse, über Küchengeräten zu Babyspielzeug und viele mehr lässt sich mit dem Bio-Kunststoff herstellen. Der Stoff ist langlebig, hitzebeständig und sehr strapazierfähig, was ihn zu einer genialen Alternative zu fossilen Rohstoffen macht! Zudem ist Lignin 100% biologisch abbaubar.

Auch andere Sektoren experimentieren mit dem Stoff. Herkömmliche Batterien basieren auf Metallverbindungen, wie Lithium, Blei und Vanadium4. Dass die Extraktion dieser kostbaren Metalle mit erheblichen Umweltproblemen zusammen hängt, ist wohl allseits bekannt. Auch das Recycling der Stoffe ist aufwendig und eher unwirtschaftlich. Doch wer sich nun denkt das Nachhaltigkeit und Batterien im Gegensatz stehen, könnte überrascht werden. Die CMBlu Energy AG hat gezeigt, dass sogenannte „Öko-Batterien“ möglich sind. Die Elektrolyte für Redox-Flow-Batterien, welche oben benannte Metalle enthält, kann durch eine nachhaltige, nichtbrennbare und nicht explosive Alternative ersetzt werden. Lignin kann als Ausgangsstoff zur Herstellung von pflanzlicher Elektrolyte dienen und so eine nachwachsende und günstige Möglichkeit für neuartige Batterien sein5. CMBlu und ihre Partner haben die Machbarkeit von Elektrolyten auf Lignin Basis bereits pilotmäßig aufgezeigt und arbeiten nun an Verbesserung der Wirtschaftlich- und Umweltfreundlichkeit.

Eine weitere lignin-basierte Innovation befasst sich mit der Herstellung von Carbonfasern. Unternehmen und Forschungsinstitutionen aus ganz Europa arbeiten an dieser zukunftsweisenden Aufgabe. Ziel ist es den auf erdölbasierenden Rohstoff und Kunststoff Polyacrylnitril (PAN), welcher herkömmlich zur Carbonfaserproduktion genutzt wird, zu ersetzen6. Lignin hat für einen nachwachsenden Rohstoff einen hohen Carbongehalt. So kann daraus hochwertiges Fasermaterial entwickelt und sich von fossilen Alternativen gelöst werden.

Im Bereich der Baustoffe kann Lignin ebenfalls vermehrt genutzt werden. Es ist im Bau bereits als ein Bindemittel, welches ohne Formaldehyd auskommt, bekannt. Aerogel (siehe hier: was ist Aerogel?) auf Lignin Basis könnten besonders interessant werden7. Hieraus wurde eine hochporöse Platte mit exzellenten Dämmeigenschaften erzeugt, welche herkömmliche Dämmaterialien übertreffen. Das ist den Aerogelen in der Platte zu verdanken. Diese sind normaler Weise auf Silicium Basis und in der Herstellung aufwendig und mit erhöhten Kosten verbunden. Forscher arbeiten nun an einem Lignin-Aerogel (bisher mit 78% Lignin)7, welches in der Umweltbilanz weitaus besser dastehen soll. Inwiefern das Produkt wirtschaftlich eingeführt werden kann ist noch unklar, bietet aber, mit dem stetigen Wachstum an Holzbau und konstanten Produktion von Papier, Zugänglichkeit und hohes Potential.

Potential: Lignin und Miscanthus – das Dreamteam

Die unglaubliche Variabilität des Einsatzes und der Verarbeitung von Lignin zeugt von hohem Entwicklungspotential in verschiedensten Bereichen. Als einer der meist vorkommenden Naturstoffe und bisher ungenutztes Abfallprodukt ist die Verfügbarkeit sicher und nachhaltig. Ein besonderes Potential sehen wir darin, Lignin zusätzlich aus Miscanthus zu beziehen. Miscanthus ist eine Schilfart, die auch auf verschmutzten und schwer bewirtschaftlichen Böden wächst, diese dabei aufwertet und hohe Erträge bringt. Mit seiner Partnerfirma IVT hat die BE Solutions die letzten 3 Jahre an einen neuen Typ Dämmplatte geforscht und sieht jetzt das Potential in der Kombination mit dem Aerogel. Auf ein Update zu diesem Projekt könnt ihr euch schon bald freuen. Grundsätzlich hat Lignin das Potential viele fossile Stoffe zu ersetzen und eine Klimaneutrale und auf nachwachsenden Rohstoffen basierende Zukunft zu gestalten.

Quellen:

1 https://www.biooekonomie-bw.de/fachbeitrag/dossier/lignin-ein-rohstoff-mit-viel-potenzial

2 https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/lignin/39320

3 https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/ligninaufschluss-optimiert-neues-energiesparendes-verfa-10143

4 https://www.fnr.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-mitteilungen/aktuelle-nachricht/batterien-mit-pflanzenbasierten-elektrolyten-auf-dem-weg-in-die-praxis

5 https://energyload.eu/stromspeicher/forschung/akkus-elektrolyt-lignin/

6 https://www.maschinenmarkt.vogel.de/lignin-als-rohstoffquelle-fuer-bio-carbonfasern-a-584693/