Hanf – Die Rückkehr einer Nutzpflanze
Hintergrund: Hanf – eine alte Freundin
Unsere Gesellschaft basiert auf Erdöl – ein Stoff, welcher in allen Lebenslagen präsent ist. Jeder kommt mit dem weltweit größten Handelsgut täglich in Berührung, vom auf Erdöl basierten Plastik im Supermarkt bis zur Fahrt an die Tankstelle. Vor dem Hintergrund einer immer präsenter werdenden Klimakrise, welche es der Menschheit abverlangt, fossile Rohstoffe im Boden zu lassen, wird die Suche nach alternativen Ausgangsstoffen mit immer größerem Interesse geführt. Eine alte Bekannte könnte mit ihrer mannigfaltigen Palette an praktischen Anwendungen eine geeignete Alternative darstellen.Hanf gilt wohl in der Anwendung als eine der vielseitigsten Pflanzen unserer Erde. Ob Textilien, Plastikersatz, Biokraftstoff oder als Medizin – diese Pflanze gilt als ein Generalist unter den Nutzpflanzen.
Das Potenzial von Hanf ist schon lange bekannt. So ist das älteste datierte Textilstück aus Hanf. Auch der Autopionier Henry Ford zeigte mit seiner aus Soja- und Hanffasern gefertigten Autokarosserie die Vielseitigkeit dieses Rohstoffes. Sein „Hemp Car“ sollte später die Serienreife erreichen und dank Hanföl umweltschonend fahren können. Über 60 Jahre später sehen wir von Firmen wie Hempearth die Weiterentwicklung: Ein Flugzeug aus Hanffasern. Mit der richtigen Verarbeitung erweist sich Hanf als äußerst robust. Zehnmal so hart wie Stahl und dennoch flexibel in der Anwendung. Auch wegen seiner Leichtigkeit, was im Flugzeugbau besonders wichtig ist. Selbst Aluminium wiegt mehr. Somit lässt sich reichlich Treibstoff einsparen, welchen die Pflanze gleich etwa durch Hanföl mitliefert.1
Cannabis besitzt ein breites und vielfältiges therapeutisches Spektrum und ist seit Mai 2016 für medizinische Zwecke in Deutschland freigegeben. Die häufigsten Anwendungsbereiche sind hierbei: chronische Schmerzen, Multiple Sklerose, Tourette-Syndrom, depressive Störungen, sowie ADHS2. In Kanada ist Cannabis seit 2003 für medizinische Zwecke frei verfügbar, seit Oktober 2018 ist es das Land, welches nach Uruguay eine komplette Legalisierung vollzogen hat.
Im öffentlichen Diskurs beschränkt sich die Diskussion rund um Hanf lediglich auf den Gebrauch der Droge Cannabis und Haschisch und wird meist damit assoziiert.
Hanf ist nicht einfach nur eine Nutzpflanze, welche verschieden genutzt werden kann. Mit ihr einher geht auch eine Geschichte von sozialer Sprengkraft. Das „Jim-Crow“-Gesetz aus dem 19. Jahrhundert in Amerika verdeutlicht etwa die Beziehung von Rassismus und dem Konsum von Cannabis allzu sehr. Mit der Annahme das Marihuana dafür verantwortlich sei, dass schwarze Unterhaltungskünstler es erstmalig ablehnten vorschriftsmäßig ihre Gesichter einzufärben oder sich weigerten in den hinteren Bereich der Straßenbahn zu gehen, geriet Hanf schnell ins Fadenkreuz der Behörden.In New Orleans, Geburtsstätte des Jazz, welcher als Voodo-Musik deklariert wurde, sah das weiße Establishment eine Ausgeburt unkontrollierbarer wilder Haschischträume. Das in luxurösen Haschischstuben des „weißen Mannes“ nichts anderes konsumiert wurde, lag an einer Ahnungslosigkeit der Bevölkerung, welche bis ins 20. Jahrhundert anhielt und zur Folge hatte, dass städtische Verordnungen und Gesetze, gegen die aufsässige „Anmaßung“ der marihuanakonsumierenden Schwarzen und Mexikaner gerichtet waren3.
Hanf ist und bleibt ein gesellschaftliches Politikum, doch seine Vorteile als Rohstoff der Zukunft, wird von seinen Befürwortern immer mehr in den Diskurs getragen.
Innovation: Anwendungen für Hand
In der jüngeren Geschichte überzeugt Hanf mit ungewohnten Anwendungsmöglichkeiten: Aus Hanf lassen sich, in Hinblick auf die zunehmende Plastikproblematik in den Weltmeeren und den Äckern der Welt zahlreiche Zelluloseprodukte herstellen. Hanf war das erste natürliche Polymer, aus welchem jemals Kunststoffe hergestellt wurden. Zu den Zelluloseprodukten, welche aus Hanf hergestellt werden können, gehören Zellophan, Zelluloid und Rayon.
Zellulose ist ein biologisch abbaubares natürliches Polymer. Synthetische Polymere sind hingegen „unverrottbar“ und können lediglich auf Basis fossiler Grundstoffe hergestellt werden.
An der Universität Alberta in Edmonton (Kanada) präsentierte eine Gruppe von Wissenschaftler*innen jüngst ihre Untersuchungsergebnisse zu einem Superkondensator, der aus Hanffasern hergestellt wurde: Die Hanfbatterie. Die Vorstellung der Untersuchung fand 2014 im Rahmen der 248. Nationalen Versammlung & Ausstellung der American Chemical Society (ACS), der weltweit größten Wissenschaftler-Gesellschaft, in San Francisco statt4.
Der von Dr. David Mitlin vorgestellte Superkondensator besteht aus Hanf gewonnenen Nanosheets, welche sonst typischerweise aus Graphen einer Kohlenstoffverbindung aus Graphit hergestellt werden. Die Gewinnung von Graphen ist jedoch noch äußerst kostspielig, was die Produktionskosten in die Höhe treibt. Neben der aufwendigen Herstellung ergibt sich auch ein technischer Nachteil, denn mit Graphen ist die Energiedichte nur begrenzt zu erhöhen.
Um hochwertige Karbon-Elektroden herzustellen wird der Hanf 24 Stunden lang bei 176 Grad erwärmt, danach erhitzt man kurzfristig den verbleibenden Rest auf 700 bis 800 Grad und erhält in der Folge Karbon-Nanoschichten. Man bekommt damit Elektroden, die billiger in der Herstellung sind, höheren Temperaturen ausgesetzt werden können und eine höhere Energiedichte liefern. Diese beträgt zwölf Wattstunden pro Kilogramm und ist somit um das Zwei- bis Dreifache höher als bei herkömmlichen Batterien. Einen Hanf-Akku kann man bis zu 100.000-mal aufladen, bei einer Ladezeit von nur wenigen Minuten5.
Potential: Hanf als Baustoff
Wenn man in der nahen Zukunft Super-Akkus bauen will, deren Basis der billig zu erzeugende Hanf ist und die einen höheren Wirkungsgrad und eine längere Lebensdauer haben als Akkus, die das teure Graphen benötigen, so könnte dies den Durchbruch auf dem Akku-Markt bedeuten6.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit, in welcher Hanf sein Potenzial großflächig ausspielen kann, ist die Bauwirtschaft. Hanf ist von Natur aus ziemlich feuerfest und schädlingsresistent. Es ist nicht notwendig Chemikalien hinzuzufügen, um seine Leistung in diesen Bereichen sicherzustellen. Das jedoch ist normalerweise bei synthetischen Dämmstoffen der Fall. Chemikalien, die herkömmlichen Isoliermaterialien zugesetzt werden, enthalten oft flüchtige organische Verbindungen. Diese werden in jüngster Zeit mit dem rapiden Anstieg der Häufigkeit von Asthma und schweren allergischen Reaktionen in westlichen Ländern in Verbindung gebracht. Hanfbeton und die Kalk- und Lehmputze auf seiner Oberfläche sind atmungsaktiv und durchlässig für Wasserdampf. Hanfbeton hat die Eigenschaft, ähnlich wie Lehm, hygroskopisch zu sein. Das bedeutet, er reguliert die Luftfeuchtigkeit. Dadurch bleibt keine Nässe auf den Wandoberflächen zurück, und das wiederum verhindert die Bildung von Schimmelsporen, die für die menschliche Gesundheit schädlich sein können7.
In Kombination mit vermeintlichen „Abfällen“ einer Region hat Hanf das Potenzial, ein Baustein in einer Cascading Economy Wertschöpfungskette zu sein. Durch seine Vielfältigkeit ist er adäquater Ersatz für unsere erdölbasierte Gesellschaft, welcher längst schon immer da war und sein Wissen einerseits reaktiviert bzw. durch die technologischen Fortschritte der Neuzeit erweitert werden muss.
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Quellen:
1 https://hanfseite.de/news/voll-funktionsfaehiges-hanf-flugzeug-vorgestellt
2 https://hanfverband.de/faq/bei-welchen-krankheiten-kann-medizinisches-cannabis-angewendet-werden
3 HERER et. al. (2013): Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf / Nachtschatten Verlag
4 https://sensiseeds.com/de/blog/wissenschaftler-praesentieren-hanfbatterie/
5 http://nanographene.org/documents/cannabis_graphene.pdf
6 https://www.gute-nachrichten.com.de/2015/06/wissen/batterien-auf-hanfbasis-koennten-die-speichertechnik-revolutionieren/
7 https://www.hanf-magazin.com/nutzhanf/baustoffe-aus-hanf/warum-hanfbeton-der-bessere-baustoff-ist/