Schlagwortarchiv für: Engagement

News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Bürgerstiftung: wie alle partizipieren

Wenn wir in unseren Regionalentwicklungsprojekten wirtschaftliche Impulse schaffen, folgt häufig auch die Frage nach der (Um-)verteilung. Im gängigen marktwirtschaftlichen Modell profitieren diejenigen, die sich mit Geld oder Leistung („Kapital“) eingebracht haben. Doch um erfolgreiche Projekte zu ermöglichen, leisten sehr viel mehr Stakeholder einen Beitrag, der auch gewürdigt werden sollte. Sicher, es entstehen ein paar Arbeitsplätze – in kleinen Ortschaften ein nicht zu unterschätzender Wert. Klar, nach Möglichkeit wurden Handwerker und Dienstleister in der Bauphase aus der Region beauftragt. Aber wie sichert man Teilhabe darüber hinaus? Die Politiker, die Türen geöffnet haben („das ist doch deren Aufgabe“), die Vereine, die Infoabende veranstaltet oder Newsletter versendet haben – und die Bürger, die im Zweifel informiert wurden, aber nicht wirklich entscheiden durften, ob sie eine Produktion mit ggf. mehr Verkehr, mehr Lärm oder mehr versiegelter Fläche vor der Haustür haben wollten – und so nett waren, es nicht zu behindern.Bürgerstiftungen sind keine neue Erfindung, aber doch ein Bereich, der durchaus mehr Bekanntheit genießen dürfte. Wir schätzen vor allem Modelle, die alle wesentlichen Beteiligten an einen Tisch bringen: Bürger natürlich, aber auch Gemeinde und Wirtschaft. Die Stiftung kann dann Anteile an dem neuen Unternehmen halten oder vertraglich garantiert x% der Gewinne (oder sogar Umsätze!) als regelmäßige Spendenzuwendung bekommen. In die Entscheidung über die Verwendung dieser Gelder kann wiederum jeder mit eingebunden werden, der sich entsprechend engagiert. Von den gemeinnützigen Vorhaben profitieren dann direkt oder indirekt letztlich alle vor Ort. Und: das bleibt auch so, selbst wenn später Verwaltungsstrukturen aufgelöst oder fusioniert werden, oder die Firma übernommen wird und ihren Sitz verlegt: das Stiftungsgeld kann vor Ort wirken.Definitiv ein Konstrukt, das wir vielen Kunden ans Herz legen. Bild: (c) Bernhard O. Schoch unter GNU Lizenz

Die Kiwitten - News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Anpacken statt Jammern: Zivilgesellschaftliches Engagement im ländlichen Raum

Ich möchte heute vorstellen was das Ergebnis sein kann, wenn die Bürger eines Dorfes ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen, statt über den Niedergang des ländlichen Raums im Allgemeinen und ihres eigenen Umfeldes im Speziellen zu jammern. Ein Dorf, dessen Einwohner ich schon seit langem sehr bewundere für ihre Energie, Freude und Zuversicht. Das niedersächsische Oberndorf an der Oste zählt gerade mal 1.400 Einwohner. Der Friseur ist schon lange weg, die Sparkasse hat ihre Filiale vor kurzem endgültig geschlossen – und der kleine Bäcker sowie ein alteingesessener Dorfladen sind neben einer saisonalen Kneipe (auf einem Schiff) und einer Gastronomie in Bürgerhand die letzten Dienstleistungen vor Ort. Seit 2011 schon sind die Bürger in Oberndorf ausgesprochen aktiv. Ausgehend von einem Dorferneuerungsprozess sind einerseits drei Unternehmen entstanden, die für Investitionen und neue Jobs sorgen: eine Energiegenossenschaft, eine Bürgeraktiengesellschaft und bereits genannte Dorfrestauration, die durch eine Bürger-KG übernommen und neueröffnet wurde und heute mit ihrem Kulturprogramm aber auch dem sehr leckeren Essen Gäste aus der ganzen Region anzieht. Andererseits ist ein beachtliches zivilgesellschaftliches Engagement gewachsen, das sich auf zahlreiche Lebensbereiche erstreckt .Mehrere Jahre lang kämpfte Oberndorf dafür, die eigene Grundschule zu erhalten – leider wurde ein Bürgerentscheid gerichtlich abgelehnt, da waren „die Mächtigen“ am längeren Hebel. Die Konsequenz daraus? Mit der sogenannten Kiwitte bietet Oberndorf eine Nachmittagsbetreuung für Kinder zwischen 5 und 13 Jahren an, die dank Sponsoren kostenlos ist – und nicht nur von Kindern aus dem Dorf genutzt wird, sondern auch aus Nachbargemeinden. Wen wundert’s: montags Druckluftraketen bauen, dienstags Pantomime, mittwochs Segeln im Jugendkutter, donnerstags Töpfern, freitags Musizieren, uvm. – da will man ja selber mitmachen! Wirklich beeindruckend finde ich, wie in Oberndorf Flüchtlinge integriert werden. Jeder Flüchtling hat einen persönlichen Paten der dafür sorgt, dass der kostenlose tägliche Deutschunterricht (während der Kiwitte, damit auch die Flüchtlingskinder betreut sind) besucht wird, der bei Bedarf mit zum Arzt fährt, usw. Seitdem Ende Januar ein jugendlicher Flüchtling im Nachbarort vom Zug erfasst und getötet wurde, gehört zu den kostenlosen Fahrrädern ein Kurs in Verkehrssicherheit. Gemeinsames Kochen, Erzählabende mit Übersetzer, … die Liste des Angebots ließe sich schier endlos fortsetzen.Wenn jemand fehlt, wird innerhalb von wenigen Minuten telefonisch erfragt, wo der- oder diejenige ist – so wird die deutsche Liebe zur Pünktlichkeit schnell gelernt, vor allem aber die Verbindlichkeit und gegenseitige Verpflichtung, die mit einem derart großzügigen Angebot einhergeht. Die Paten investieren unglaublich viel Zeit, Energie und Geduld – weil sie der Überzeugung sind, dass diese Menschen es wert sind und einen guten Start in unserem Land verdient haben.Wir alle können anpacken und umsetzen und damit die Probleme, die es in unserem Land gibt, konstruktiv und gemeinschaftlich lösen. Ich wünsche den Oberndorfern weiterhin viel Rückenwind, und dass ihr Vorbild noch ganz viele andere zum Handeln, Nachahmen und Bessermachen bewegt.

News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Für mehr Solidarität mit Flüchtlingen in Europa

In den letzten Wochen und Tagen spitzt sich das Flüchtlingsdrama vor unser aller Haustür dermaßen zu, dass mir fast schon schwindelig wird. Die Nachrichten sind teilweise so erschreckend, dass einem der Atem stockt – erst recht gepaart mit den eiskalten Kommentaren mancher Politiker, insbesondere aus osteuropäischen Ländern. Bei mir und unserem Team bleibt das Gefühl, handeln zu müssen. Die Solidaritätswelle, der derzeit durch Deutschland rollt, ist wirklich toll, sie macht einen stolz – auch wenn das Verwaltungschaos das sie überbrückt eher peinlich ist. Eigentlich dachte ich immer, wir sind gut organisiert; für die Marke „made in Germany“ ist das, was in manchen Gemeinden derzeit abgeht, jedenfalls kein Imagegewinn! Seit zwei Wochen gibt es ganz in der Nähe von unserem Büro ein Flüchtlingsheim, rund 1.000 Menschen sind dort innerhalb weniger Tage aufgenommen worden – und die Karlshorster Nachbarschaft hat bereits Fahrradwerkstätten, Bastelnachmittage und Joggingrunden organisiert, bis auf Möbel werden keine Sachspenden mehr benötigt. Absolut beeindruckend!! Inspiriert davon haben wir diese Woche gemeinsam überlegt, wo wir glauben, einen Unterschied machen zu können. Wir waren uns schnell einig: mittelfristig gelingt Integration nur, wenn Jobs vorhanden sind. Die Sprache wird schneller gelernt, Netzwerke geknüpft, das Selbstbewusstsein gefestigt – Mensch „kommt an“. Ganz langsam wächst auch bei unseren Behörden die Erkenntnis, dass wir dafür erstmal die Qualifikation erfassen müssen, damit diese Menschen ihr Potenzial einsetzen und entfalten können. Wenn sich die Euphorie der Ankunft und das Entsetzen über die langen Formulare dann gelegt hat, dürfte die Frage nach dem Arbeitsmarktzugang ins Zentrum der Aufmerksamkeit der meisten Flüchtlinge rücken, die nahezu alle darauf brennen, sich ihren Lebensunterhalt mit ehrlicher Arbeit zu verdienen.Machen wir uns nichts vor: Makroökonomisch bluten mit der Flüchtlingswelle ganze Länder aus, ihre Mittelschicht und ihre jungen, tatkräftigen Bürger kommen zu uns. Für Deutschland ist das ein Segen, unsere Wirtschaft braucht frische Fachkräfte die Lust haben, etwas zu leisten. Bloß nicht rumsitzen und die Wand anstarren müssen! In der Realität werden unsere Bemühungen um manch andere Randgruppen, wie Langzeitarbeitslose, dafür vermutlich sinken – der Bedarf der Unternehmen wird schon bald anderweitig gedeckt, und wenn die Sprache erstmal beherrscht wird, sind junge Kandidaten mit hoher Motivation ziemlich sicher im Vorteil.Wir arbeiten jetzt jedenfalls daran, in unserem kleinen Team Platz zu schaffen und gleichzeitig ein Modellprojekt zu entwickeln und umzusetzen, das unser Netzwerk, unsere Stärken und unser Erfahrungswissen nutzbar macht. Ich glaube ehrlich, dass Blue Economy sehr viel Lernpotenzial „für’s Leben“ bietet, selbst oder gerade auch für Menschen, die eines Tages vielleicht doch wieder in ihre Heimat zurückkehren – und dann das Wissen um ressourcenoptimiertes Wirtschaften mitnehmen.Jede Krise ist auch eine Chance, und unser Land – aber auch die EU insgesamt – sollte sie nutzen. Die Länder, deren Arbeitsmarkt sich heute reformiert, flexibilisiert und verjüngt werden in den nächsten Jahren die Früchte ernten. Hauptsache, jeder von uns unterstützt im Rahmen seiner Möglichkeiten diesen Veränderungsprozess, der ohnehin unvermeidlich geworden ist. Refugees welcome! Wer spenden möchte: hier die betterplace-Kampagne von blogger-für-Flüchtlinge.

(c) Vjeran Lisjak News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Diversität auf der Berlinale oder: Nachhaltige Systeme und die Genderfrage

Vor ein paar Wochen erhielt ich eine Einladung, auf der Berlinale teil einer Podiumsdiskussion des Vereins Pro Quote Regie e.V. zu sein. Die Organisatorinnen baten um Input, wie das System „Fördermittelvergabe der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten“ hin zu mehr Geschlechtergleichheit verändert werden könnte.Im Vorfeld habe ich mich daher in die Thematik eingelesen und war schockiert, dass auch die öffentlich-rechtliche Filmbranche keinen Schritt weiter ist als so manch andere männerdominierte Industrie – nur dass in diesem Fall auch das Gesellschaftsbild, das durch Film und Rundfunk verbreitet wird, entsprechend männlich geprägt ist/wird. Während ich mich sonst nicht für eine Verfechterin in Genderfragen halte, frage ich mich spätestens seitdem, welches Frauenbild eigentlich mein eigener Sohn erhält, wenn einerseits Mama „die Chefin“ ist, andererseits selbst Kitschfilme auf Basis der Romanvorlage weiblicher Autorinnen von männlichen Regisseuren inszeniert werden.Also machte ich mich heute morgen auf den Weg in Richtung Potsdamer Platz. In dem angenehm überfüllten Saal fanden sich natürlich (vorwiegend weibliche) Regisseure, aber auch Schauspieler, Drehbuchautoren und Produzenten. Die Politik unterstützt das Vorhaben nach einer Quote – nicht zuletzt wird in Bälde eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte der Privatwirtschaft wie auch in Bundesgremien eingeführt. Ausländische Beispiele wie Schweden zeigen, dass eine Quote ohne allzu große Probleme umsetzbar ist. Doch ist eine Quote die alleinige Lösung?Ich habe mich bereits vor über 10 Jahren in einer großen Unternehmensberatung für das Thema engagiert und dabei gelernt, dass Frauen und Männer nach unterschiedlichen Spielregeln agieren. Wenn nun aber die Männer sich auf „Fangen spielen“ geeinigt haben und die Frauen (v.a. wenn sie eine Minderheit darstellen) Verstecken spielen wollen, darf frau sich nicht wundern, wenn niemand sie suchen kommt. Schlimmer noch, frau kennt die Spielregeln der ‚Jungs‘ gar nicht und nimmt daher nicht wahr, dass sie nicht mitspielt… Ich dachte eigentlich, diese Erkenntnis wäre inzwischen weit(er) verbreitet – denn Kommunikation ist nunmal der Schlüssel zu jedwedem Veränderungsprozess. Das zeigt sich in jedem unserer Projekte, das wir für Kunden durchführen, gilt aber natürlich genauso, wenn das System „Fördermittelvergabe“ sich verändern soll. Es ist zumindest allemal besser, sich der unterschiedlichen Spielregeln bewusst zu sein, als ‚blind‘ zu agieren – ob man dann mitspielen will, kann frau ja im Einzelfall gezielt entscheiden. Die Mehrheit macht nunmal die Regeln, so funktioniert Demokratie. (Jaaaa, Frauen machen 50% der Bevölkerung aus, aber eben nicht in allen Bereichen – umgekehrt müssen sich ja auch Männer in frauendominierten Branchen an weibliche Regeln und Kommunikationsmuster anpassen.)Übrigens hilft das Wissen um diese Kommunikationsunterschiede nicht nur dabei, die berufliche Rolle anders auszuüben. Auch die Rolle als Mutter (von Söhnen!), Ehefrau oder Freundin lässt sich in so mancher Situation konfliktfreier gestalten. Und dass wir uns alle besser verständigen, hat nun wirklich nichts mit erzwungener Anpassung an patriarchalische Strukturen zu tun, sondern mit der eben typisch weiblichen Fürsorge. Foto: (c) Vjeran Lisjak

News - Unternehmensberatung - Nachhaltigkeit, Innovation & Regionalentwicklung

Die Verantwortung der Freiheit

Immer wieder bin ich erstaunt, wie unkritisch viele Medien über neue Ideen und deren Vordenker berichten. Regelmäßig liest man von irren Heldentaten, von Tausenden gegründeter Unternehmen, von Millionen geschaffener Jobs, Milliarden mobilisierter Gelder; von weltweiten Netzwerken, die schon seit Jahrzehnten die Welt verbessern; von der Demut, mit der all dies geschehe. Die Welt wird munter in schwarz-weiß geteilt: dort die bösen Konzerne, die prinzipiell alles falsch machen und mutwillig nur auf Profit ausseien – hier die prophetenhaften Kämpfer für das Gute. Egal, was diese Leute behaupten, es wird abgedruckt, ohne zu hinterfragen. Das Gegenteil gibt es natürlich auch: wenn ein einstiger Held erstmal vogelfrei erklärt wird, gibt es in die andere Richtung kein Halten mehr. Verantwortung für die Folgen übernimmt niemand. In der Wissenschaft nennt man das „halo-effect“: die Glaubwürdigkeit einer (ebenfalls nicht hinterfragten) Historie von Erfolgen und Siegen im Kampf von Gut gegen Böse wird auf das heute Erzählte und Publizierte übertragen. Dabei bleibt jedweder Grundsatz von journalistischem Anspruch leider auf der Strecke. Das hat schon zu dem ein oder anderen Skandal geführt, etwa als sich herausstellte, dass Human Rights Watch dem Staat Israel Kriegsverbrechen vorwarf – die Palästinenser jedoch zu unschuldigen Opfern stilisierte, und die Presse es reihenweise genauso abdruckte, ohne die Qualität der Quelle zu überprüfen. Oder als Karriere und Privatleben unseres mittlerweile ehemaligen Bundespräsidenten ruiniert wurden – obwohl das spätere Gerichtsurteil „nicht schuldig“ lautete. Daraus gelernt hat scheinbar niemand.Natürlich ist es schon immer so gewesen, dass Menschen mit einer attraktiven Ausstrahlung mehr Gehör und Glauben geschenkt wird als den Unbeholfenen. Aber ich war immer der Überzeugung, dass Journalisten ihren Beruf ergreifen, um dieser Übermacht und Unausgewogenheit entgegen zu wirken und einem differenzierteren Bild, der vermeintlichen „Wahrheit“, Raum zu schaffen. Ich hoffe sehr, dass gerade die Angriffe auf unsere Pressefreiheit in den letzten Wochen auch dazu führen, dass sich so mancher Reporter wieder seiner ursprünglichen Ideale besinnt; und dass die Journaille insgesamt wieder vermehrt der Verantwortung steht, die diese Freiheit automatisch mit sich bringt. Foto: (c) freeimages-news-1109654-m