Anpacken statt Jammern: Zivilgesellschaftliches Engagement im ländlichen Raum
Ich möchte heute vorstellen was das Ergebnis sein kann, wenn die Bürger eines Dorfes ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen, statt über den Niedergang des ländlichen Raums im Allgemeinen und ihres eigenen Umfeldes im Speziellen zu jammern. Ein Dorf, dessen Einwohner ich schon seit langem sehr bewundere für ihre Energie, Freude und Zuversicht. Das niedersächsische Oberndorf an der Oste zählt gerade mal 1.400 Einwohner. Der Friseur ist schon lange weg, die Sparkasse hat ihre Filiale vor kurzem endgültig geschlossen – und der kleine Bäcker sowie ein alteingesessener Dorfladen sind neben einer saisonalen Kneipe (auf einem Schiff) und einer Gastronomie in Bürgerhand die letzten Dienstleistungen vor Ort. Seit 2011 schon sind die Bürger in Oberndorf ausgesprochen aktiv. Ausgehend von einem Dorferneuerungsprozess sind einerseits drei Unternehmen entstanden, die für Investitionen und neue Jobs sorgen: eine Energiegenossenschaft, eine Bürgeraktiengesellschaft und bereits genannte Dorfrestauration, die durch eine Bürger-KG übernommen und neueröffnet wurde und heute mit ihrem Kulturprogramm aber auch dem sehr leckeren Essen Gäste aus der ganzen Region anzieht. Andererseits ist ein beachtliches zivilgesellschaftliches Engagement gewachsen, das sich auf zahlreiche Lebensbereiche erstreckt .Mehrere Jahre lang kämpfte Oberndorf dafür, die eigene Grundschule zu erhalten – leider wurde ein Bürgerentscheid gerichtlich abgelehnt, da waren „die Mächtigen“ am längeren Hebel. Die Konsequenz daraus? Mit der sogenannten Kiwitte bietet Oberndorf eine Nachmittagsbetreuung für Kinder zwischen 5 und 13 Jahren an, die dank Sponsoren kostenlos ist – und nicht nur von Kindern aus dem Dorf genutzt wird, sondern auch aus Nachbargemeinden. Wen wundert’s: montags Druckluftraketen bauen, dienstags Pantomime, mittwochs Segeln im Jugendkutter, donnerstags Töpfern, freitags Musizieren, uvm. – da will man ja selber mitmachen! Wirklich beeindruckend finde ich, wie in Oberndorf Flüchtlinge integriert werden. Jeder Flüchtling hat einen persönlichen Paten der dafür sorgt, dass der kostenlose tägliche Deutschunterricht (während der Kiwitte, damit auch die Flüchtlingskinder betreut sind) besucht wird, der bei Bedarf mit zum Arzt fährt, usw. Seitdem Ende Januar ein jugendlicher Flüchtling im Nachbarort vom Zug erfasst und getötet wurde, gehört zu den kostenlosen Fahrrädern ein Kurs in Verkehrssicherheit. Gemeinsames Kochen, Erzählabende mit Übersetzer, … die Liste des Angebots ließe sich schier endlos fortsetzen.Wenn jemand fehlt, wird innerhalb von wenigen Minuten telefonisch erfragt, wo der- oder diejenige ist – so wird die deutsche Liebe zur Pünktlichkeit schnell gelernt, vor allem aber die Verbindlichkeit und gegenseitige Verpflichtung, die mit einem derart großzügigen Angebot einhergeht. Die Paten investieren unglaublich viel Zeit, Energie und Geduld – weil sie der Überzeugung sind, dass diese Menschen es wert sind und einen guten Start in unserem Land verdient haben.Wir alle können anpacken und umsetzen und damit die Probleme, die es in unserem Land gibt, konstruktiv und gemeinschaftlich lösen. Ich wünsche den Oberndorfern weiterhin viel Rückenwind, und dass ihr Vorbild noch ganz viele andere zum Handeln, Nachahmen und Bessermachen bewegt.
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