Blue Economy bei den Grünen
Letzte Woche hielt ich die Festrede auf dem Frühjahrsempfang der Grünen in Stuttgart – dort immerhin zweitstärkste Fraktion, die auch den Oberbürgermeister stellt. Wir führen ja bereits seit 2011 zu diversen Anlässen mit allen Parteien Gespräche darüber, welche Potentiale Blue Economy für Deutschland als Industriestandort aber auch für unsere strukturschwachen Regionen bieten kann. Bei den Grünen gab es früher v.a. Diskussionen ob der Farbwahl ‚blau‘. Bei der letzten Landtagswahl profitierten die Grünen in Baden-Württemberg von dem öffentlichen Schock nach dem Unglück in Fukushima und dem plötzlichen deutschen Atomausstieg. Ich war also gespannt, wie Blue Economy vier Jahre später aufgenommen wird.Das Fazit vorweg: ich habe bislang keine negativen Reaktionen erhalten. Der Vortrag sollte v.a. Möglichkeiten aufzeigen, thematisierte aber auch Bereiche, in denen die bisherige ‚green economy‘ auch Kollateralschäden verursacht oder eben in ihrer Wirkung auf wenige Menschen begrenzt bleibt. Egal ob teure, eingeflogene Biolebensmittel, Ökoplastik aus Genmais oder das alte Thema Palmöl, für dessen Gewinnung in Indonesien ständig noch mehr Regenwald den Monokulturplantagen weichen muss – als was für ein Heilsbringer Palmöl mal gesehen wurde, können wir uns heute kaum noch vorstellen. Insofern gab es durchaus bittere Pillen zu schlucken. Systemisches Denken wird uns in der Schule leider nicht beigebracht, und je älter wir werden, desto mehr spezialisieren wir uns auf Fachthemen, verlieren dabei jedoch häufig den Blick für das „große Ganze“. Auch ein Vortrag kann nur Denkanstöße liefern, das zeigte sich auch in den Gesprächen, die ich im Nachgang führte: so wurde ich gebeten, aus Blue Economy Sicht diese oder jene Technologie zu bewerten. Dabei kommt es doch auf den Kontext an: es geht in Systemen fast nie um eine Insellösung, sondern darum, Ressourcen über den gesamten Lebenszyklus zu betrachten. Es kann durchaus ökologischer sein, ein altes Auto noch ein paar Jahre länger zu fahren, als ein neues mit niedrigen Emissionswerten zu kaufen – für dessen Metallgewinnung allein ein Vielfaches an CO2-Ausstoß verursacht wurde, wie im Vergleich zum alten Auto je eingespart wird. Das hört eine Industrie, die auf Konsum und Wachstum gepolt ist, natürlich nicht gerne.Es gab aber auch viele spannende Diskussionen und wir werden in den nächsten Wochen und Monaten sicher konkreter ausloten, wo Anknüpfungspunkte für Blue Economy im Schwabenland sein könnten. Stuttgart wäre allemal einen weiteren Besuch wert! PS: Ein Lob muss ich noch loswerden: ich wurde selten so umfassend und professionell betreut. Daher geht ein ganz großer Dank an die Wesen, die hinter den Kulissen alles organisiert haben! PPS: Nachtrag: das inzwischen veröffentlichte Fazit der Grünen auf ihrer Webseite lautet „Bei derart tollen Aussichten sehen auch wir Grünen gerne mal blau!“. Klingt vielversprechend…
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